Frau sitzt mit Taschentuch auf der Couch.© Dragana Gordic / Shutterstock

Wie Stress unsere Abwehrkräfte schwächt

Gesund leben Baldrian, Sonnenhut, Vogelmiere, Gänseblümchen

Inzwischen sind wir mitten im zweiten Corona-Lockdown. Nach den Lockerungen im Sommer ist die Zahl der Covid-19-Infektionen wieder viel zu schnell angestiegen. Bis dahin können wir nichts anderes tun, als die AHA-L-Regel einzuhalten und unser Immunsystem zu stärken. Für ein starkes Immunsystem ist es nicht nur wichtig, wie wir uns ernähren, auch unsere Psyche spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn chronischer Stress schwächt unsere Abwehrkräfte. Gerade jetzt in der kalten Winterzeit muss unser Immunsystem nicht nur Corona-Viren, sondern auch Erkältungs- und Grippeviren abwehren. Deshalb lohnt es sich, Stress zu reduzieren und somit die Abwehrkräfte zu stärken.

Wir wissen eigentlich ganz genau, dass wir zu viel Stress haben und häufig wenig achtsam mit uns selbst umgehen. Gleichzeitig würden wir gerne gelassener, entspannter und glücklicher durchs Leben gehen. Dabei ist Stress erst einmal ein abstrakter Begriff. Denn, ob wir etwas als stressig empfinden, ist sehr subjektiv und von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich. Was der eine - zum Beispiel bei der Arbeit - als super stressig empfindet, ist für den anderen lediglich der notwendige Adrenalinstoß, den er benötigt, um eine gute Leistung zu erbringen. Aber wann wird aus einer Herausforderung Stress, und was macht dieser mit uns?

Stress ist eine körperliche und seelische Anspannung, die uns helfen soll, vermeintlich gefährliche Situationen zu meistern. In früheren Zeiten waren das meisten sehr konkrete Bedrohungen wie zum Beispiel der viel zitierte Säbelzahntiger, der für den Steinzeitjäger eine ganz reale Gefahr darstellte. Heutzutage sind die Auslöser von Stress meistens diffuser. Das kann genauso gut eine permanente Überforderung bei der Arbeit wie eine belastende Beziehung oder auch ganz allgemein eine Unzufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation sein.

Stress wirkt sich auf unser Immunsystem aus

Stress und die dadurch ausgelöste Ausschüttung von Stresshormonen soll uns dabei helfen, mit gefährlichen oder herausfordernden Situationen fertig zu werden. So kann Stress durchaus helfen, vor dem bedrohlichen Säbelzahntiger zu fliehen oder - auf unsere heutige Situation übertragen - einen anspruchsvollen Vortrag mit vollster Konzentration vor einem großen Publikum zu halten. In diesem Sinne kann Stress durchaus etwas Positives sein, der uns hilft, schwierige Situationen zu meistern. Dabei macht es allerdings einen großen Unterschied, ob wir lediglich von Zeit zu Zeit akuten Stresssituationen ausgesetzt sind, oder ob wir unter Dauerstress leiden.

Wissenschaftler haben nämlich herausgefunden, dass Stress Auswirkung auf unser Immunsystem hat. Stress ist dabei aber nicht gleich Stress. Akuter Stress, zum Beispiel vor einer anstehenden Prüfung oder einem wichtigen Geschäftstermin, steigert - zumindest kurzfristig - unsere  Abwehrkräfte. Dies hat die Natur wohl ganz bewusst so eingerichtet, damit wir mit den Gefahren einer Stresssituation, zum Beispiel mit einer durch den Säbelzahntiger verursachten Verletzung, besser klar kommen. 

Chronischer Stress macht krank

Leiden wir jedoch unter chronischem Stress, beispielsweise weil wir in unserem Beruf permanent überfordert sind, wirkt sich dies negativ auf unsere Abwehrkräfte aus. Wenn unser Körper langfristig Stresshormonen ausgesetzt ist, führt dies dazu, dass eine angemessene Reaktion unseres Immunsystems unterdrückt wird. Dies kann zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, der Entstehung neuer Krankheiten oder auch zu einer Verschlechterung bereits bestehender Erkrankungen führen. Nicht umsonst schauen beispielsweise die ungeliebten Herpesbläschen ganz besonders gerne bei uns vorbei, wenn wir gerade viel um die Ohren haben. 

Deshalb lohnt es sich, das eigene Stresslevel zu reduzieren. Das mag so manchem schier unmöglich erscheinen. Meistens gibt es wirtschaftliche oder soziale Zwänge, die uns daran hindern, die für uns schädliche Situation aufzulösen. So kann man seinen ungeliebten Beruf nicht einfach so an den Nagel hängen. Schließlich gehen wir arbeiten, um Geld zu verdienen, und sind von unseren Einkünften existenziell abhängig. Genauso kann es fast unmöglich erscheinen, eine unglückliche Beziehung zu beenden, wenn man gemeinsame Kinder hat und deren Wohlergehen mindestens genauso berücksichtigen will wie das eigene.

Viele kleine Schritte ergeben einen großen Schritt

Wenn man merkt, dass man eigentlich eine große Veränderung braucht, dieser Schritt aber viel zu groß erscheint, lohnt es sich häufig, sich erst einmal auf kleine Schritte zu konzentrieren. Menschen sind nun einmal Gewohnheitstiere und tun sich in der Regel mit Veränderungen schwer. Deshalb ist es oft von mehr Erfolg gekrönt, wen wir uns erst einmal kleine, erreichbare Ziele vornehmen, bevor wir uns gleich die große Veränderung, zum Beispiel in Form eines Job-Wechsels, vornehmen. Und da wir Menschen lernfähig sind, führt ein erster kleiner Schritt, der von Erfolg gekrönt ist, oft zum nächsten kleinen Schritt. Und viele kleine Schritte führen unweigerlich in die richtige Richtung und so vielleicht eines Tages dann auch zum entscheidenden großen Schritt.

Bewegung tut uns gut

Wir können beispielsweise damit anfangen, uns mehr zu bewegen. Bewegung baut unsere Muskeln auf, und unsere Muskelzellen helfen wiederum dabei, Stresshormone schnell abzubauen. Wenn wir es nach einem anstrengenden Tag schaffen, noch eine Runde zu joggen oder einen Spaziergang zu machen, merken wir selbst, wie gut uns das tut und wie mit jedem Schritt die Anspannung des Tages nachlässt. Dabei ist es eher zweitrangig, was wir tun. Hauptsache wir bewegen uns und die Bewegung macht uns Spaß. Wenn ich gerne Spazieren gehe, sollte ich genau das tun, und einfach damit anfangen. Wir werden dann schnell merken, wie gut uns das tut und so vielleicht eine Routine entwickeln.

Wenn ich dagegen die Erwartungen an mich selbst zu hoch schraube, kann das leicht schief gehen. Wenn ich mir beispielsweise als Jogging-Neuling vornehme, jeden Tag gleich 5 km zu laufen, kann das leicht dazu führen, dass ich am Ende einfach zu Hause sitzen bleibe und mich gar nicht bewege. Einfach, weil die Hürde viel zu hoch ist. Am wichtigsten ist es, überhaupt anzufangen. Wie der Appetit beim Essen kommt die Freude an der Bewegung meistens mit der Bewegung selbst. Und wenn wir uns darüber hinaus auch noch in der Natur, zum Beispiel im Wald bewegen, wirkt sich das zusätzlich positiv auf unseren gestressten Körper aus. Eine Runde im Wald kann wie ein Reset im Kopf wirken und uns helfen, einiges, das uns belastet, zumindest für den Moment loszulassen.

Das Glas ist halb voll und nicht halb leer

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass eine positive Lebenseinstellung unser Immunsystem stärkt und Pessimismus unsere Abwehrkräfte schwächt. Also nicht nur die Situation, in der ich mich gerade befinde, kann Stress erzeugen, sondern durchaus auch meine Sichtweise auf diese. Wenn ich beispielsweise unglücklich darüber bin, dass ich nur in einer kleinen Wohnung ohne Garten wohne, hat das andere Auswirkungen auf meinen Körper als wenn ich froh darüber bin, dass ich überhaupt eine bezahlbare Wohnung habe.

Seine Sichtweise beziehungsweise Einstellung zu ändern, ist nicht so einfach, wenn man zu den Menschen gehört, für die das Glas immer halb leer ist. Aber man kann versuchen, immer wieder einen anderen Blickwinkel einzunehmen und sich darauf zu konzentrieren, dass das Glas trotz allem immer noch zur Hälfte gefüllt ist. Und vielleicht kann man sich dann nicht nur darüber freuen, dass man eine bezahlbare Wohnung hat, sondern auch darüber, dass diese sogar über einen kleinen Balkon verfügt.

Dankbarkeit macht glücklich

Wenn wir für die Menschen und die Dinge, mit denen wir uns umgeben, dankbar sind, macht uns das zufrieden und glücklich. Manch einer wird jetzt vielleicht spontan sagen „Für was soll ich denn Bitteschön dankbar sein?“ Aber wenn wir uns Zeit nehmen, unser Leben genauer zu betrachten, gibt es für jeden von uns tagtäglich etwas, für das wir dankbar sein können: Das Lächeln, das uns eine Unbekannte auf der Straße schenkt, die Freunde, die uns seit Jahren in unserem Leben beiseite stehen, die Arbeit, die es uns ermöglicht, jeden Tag etwas zum Essen auf dem Tisch zu haben …

Auch Dankbarkeit kann man - genauso wie Optimismus - lernen. Es gibt dazu eine schöne Übung. Wenn wir abends im Bett liegen, sollten wir uns nicht auf die negativen Dinge konzentrieren, die uns an diesem Tag begegnet sind. Vielmehr sollten wir die Augen schließen und uns vor unserem inneren Auge fünf Dinge überlegen, für die wir an diesem Tag dankbar sein können. Es dürfen auch gerne jeden Tag die gleichen sein. So kann ich durchaus jeden Tag dankbar dafür sein, dass ich einen liebevollen Partner an meiner Seite habe oder dass ich einen Beruf habe, den ich jeden Tag aufs Neue gerne ausübe. Wenn mir es dann irgendwann leicht fällt, diese fünf Dinge zu benennen, kann ich das ganze ausweiten und mir zehn Sachen überlegen, für die ich dankbar bin. Dankbarkeit kennt wie Optimismus keine Grenzen. Die ehrlich empfundene Dankbarkeit wird sich positiv auf unser Wohlbefinden auswirken, unseren persönlichen Stresslevel senken und darüber hinaus dafür sorgen, dass wir besser schlafen. (Und auch guter und erholsamer Schlaf ist gut für unser Immunsystem!)

Soziale Kontakte stärken uns und unser Immunsystem 

Wissenschaftler haben festgestellt, dass starke soziale Bindungen Stress reduzieren können. Wenn wir uns mit Menschen umgeben, die uns in Liebe verbunden sind, tut das unsere Seele gut und baut automatisch Stress ab. Wie wohltuend ist es, wenn wir unser gestresstes Herz einer lieben Freundin ausschütten können? Wenn wir auf Verständnis stoßen und uns somit mit unseren Sorgen und Nöten nicht mehr alleine fühlen? Und wie häufig passiert es, dass große Probleme plötzlich gar nicht mehr so groß erscheinen, wenn wir mit unseren Lieben darüber reden.

Aber auch wenn wir keine Sorgen haben, stärken unsere sozialen Kontakte unsere Persönlichkeit. Wir fühlen uns einer Gemeinschaft zugehörig, fühlen uns geliebt und angenommen. Das wirkt sich wiederum auf unser Selbstwertgefühl und unsere Gemütslage aus, was unseren Stresslevel spürbar senkt. In der Gemeinschaft sind wir stark. Und Stress kann uns viel weniger anhaben, wenn wir uns mit Gleichgesinnten verbunden fühlen. Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade in den heutigen Zeiten unsere sozialen Kontakte, wenn auch in der derzeitigen Situation virtuell, pflegen und uns auch von einer stressigen Lebenssituation nicht davon abhalten lassen. Sonst laufen wir Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten: Wir vernachlässigen unsere sozialen Kontakte, weil wir im Stress sind, und fühlen uns dann noch gestresster, weil uns in Wirklichkeit gerade diese fehlen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass alles, was unserer Seele gut tut und unser Stresslevel reduziert, gleichzeitig auch gut für unser Immunsystem ist und unsere Abwehrkräfte stärkt. Es ist nicht einfach, einer chronischen Stresssituation zu entkommen. Schließlich entsteht eine solche meist nicht über Nacht, sondern entwickelt sich langsam über Monate oder gar Jahre hinweg. Aber es gibt einiges, das wir tun können, damit es uns zumindest besser geht und wir unser Stresslevel ein kleines bisschen senken können. Wie wäre es zum Beispiel mit einem ausgedehnten Spaziergang mit einer lieben Freundin im Wald? Oder mit einem langen Telefonat mit dem Bruder oder der Schwester, anstatt wie jeden Abend nur in den Fernseher zu glotzen? Möglichkeiten gibt es viele, wir müssen nur anfangen.

Ihre Eva Ehehalt

(Eva ist Ernährungsberaterin, Autorin und Bloggerin. Auf Ihrer Seite findet Ihr viele tolle Tipps und Rezepte: www.leckervital.com)