Resilienz – das Geheimnis der inneren Widerstandskraft

Sicher hat jeder von uns schon Menschen in seinem Umfeld erlebt, die jede turbulente Lebenslage scheinbar schneller und besser bewältigen, auf Stress entspannter reagieren und Ärger schneller wieder abstreifen können als andere. Aber wieso ist das so?

Sicher hat jeder von uns schon Menschen in seinem Umfeld erlebt, die jede turbulente Lebenslage scheinbar schneller und besser bewältigen, auf Stress entspannter reagieren und Ärger schneller wieder abstreifen können als andere. Oft genug fragt man sich bei derartigen Beobachtungen: wie schaffen diese Menschen das und wünscht sich gleichzeitig, doch ebenso souverän mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der sich weltweit schlechte Nachrichten über Naturkatastrophen, Kriege, Gewalt etc. häufen, ist es nicht leicht, positiv zu bleiben und sich von diesen Bilder nicht erdrücken zu lassen.
Egal ob durch Stressoren in Job, Familie oder Alltag, aufgrund negativer Neuigkeiten oder nach einem schweren Schicksalsschlag – wen die ihn umgebenden Belastungen nicht nachhaltig aus der Bahn werfen, den bezeichnen Forschende als „resilienten“ Menschen. Warum einige Menschen psychisch widerstandfähiger sind als andere, wird schon seit Jahren erforscht, wobei noch lange nicht alle Einflüsse wissenschaftlich durchdrungen sind. Denn wie es scheint, tragen zur Resilienz eines Menschen viele unterschiedliche Faktoren bei.


Was ist Resilienz eigentlich?


Resilienz (von lateinisch resilire = zurückspringen, abprallen, wieder auf die Beine kommen) beschreibt grob gesagt die Fähigkeit, belastbar, flexibel, voller Spann- und Widerstandkraft, dabei nachgiebig und elastisch auf die widrigsten Lebensumstände reagieren zu können und diese ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. Was damit gemeint ist, wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, dass der Begriff Resilienz ursprünglich aus der Werkstoff-Physik stammt. Hier beschreibt er Materialien, die nach Momenten der extremen Spannung wieder zurück in ihren Ursprungszustand finden. So zum Beispiel ein Gummiball, der beim Aufprall auf den Boden eine Delle bekommt, dann aber wieder seine runde Form annimmt. Für den Menschen beschreibt dies, wie gut er mit Rückschlägen fertig wird. Stellt man sich Ereignisse, Erlebnisse oder Erfahrungen vor, die auf einen Menschen wirken und auf dessen Befinden Einfluss nehmen (ähnlich der Delle durch den Aufprall des Balles auf den Boden), so versteht man Resilienz besser. Je stärker die innere Widerstandskraft des Menschen ausgeprägt ist, desto schneller findet dieser auch nach entsprechenden Ereignissen zu seiner „alten“ Form zurück.

Warum sind Menschen unterschiedlich resilient?


Was für den einen Menschen zu einer erdrückenden Belastung wird (z.B. Jobverlust, Beziehungsende o.ä.) meistert ein anderer mit Leichtigkeit oder empfindet es sogar als willkommene Herausforderung. Aber wie kann das sein? Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Resilienz eines jeden beeinflussen. Längst nicht alle aber sind komplett erforscht.


Resilienz durch soziale Bindung?


Eine bereits 1955 im Kindesalter der Probanden begonnene und über drei Jahrzehnte laufenden Studie der US-Psychologin Emmy Werner zeigte, dass auf den ersten Blick selbst gleiche Umgebungsbedingungen unterschiedlich resiliente Erwachsene hervorbringen. Warum knapp ein Drittel der Probanden über eine höhere Resilienz verfügt als die anderen, wurde nicht nur durch diese Studie, sondern auch durch weitere klar: Sie alle hatten einen Menschen in ihrem Leben, der stets zu ihnen hielt, der ihnen zu Seite stand, sie förderte und ihnen das Gefühl gab, wertvoll zu sein. Mittlerweile gelten eine verlässliche Bezugsperson in der Kindheit und ein tragfähiges soziales Netz im
späteren Leben als zentraler Faktor für psychische Widerstandsfähigkeit.


Resilienz durch Vererbung?


Darüber, ob Resilienz vielleicht angeboren und bereits in den Genen verankert ist, gibt es unterschiedliche Meinungen, weil Resilienz – wie schon erwähnt – aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren entsteht. Darunter sind aber tatsächlich auch einige, die angeboren sind. Für Neurowissenschaftler spielen erbliche Faktoren wie Intelligenz (weil sie hilft, kreative Wege aus Krisen zu finden), Optimismus (weil er das Vertrauen auf ein gutes Ende gibt) und Extraversion (weil diese Eigenschaft erleichtert, auf andere Menschen zuzugehen und soziale Bindungen aufzubauen) durchaus eine Rolle für die psychische Widerstandskraft. Während die psychologischen Faktoren gut erforscht sind, steht die biologische Resilienzforschung noch ziemlich am Anfang. Um hier wirklich belastbare Aussagen treffen zu können, ob Gene eine Rolle bei der Entwicklung von Resilienz spielen und was im Gehirn vor sich geht, wenn das Leben Stolpersteine bereithält, sind weitere Langezeitstudien erforderlich. Bisherige wissenschaftliche Beobachtungen des autonomen Nervensystems zeigten aber zumindest, dass der Körper von resilienten Personen unter Akutstress weniger des Neutrotransmitters Noradrenalin ausschüttet, was zu „gedämpfteren“ Reaktionen führt. Den Abbau von Noradrenalin steuert aber tatsächlich ein Gen und es scheint, als erzeugen resiliente Menschen mehr Proteine, um das ausgeschüttete Noradrenalin abzubauen. Sie erholen sich also schneller und finden so auch schneller in ihren Ausgangszustand zurück.

Was zeichnet resiliente Menschen aus?


Resiliente Menschen denken und handeln in der Regel lösungsorientiert. Auch wenn viele Entwicklungen im Leben weder vorhersehbar noch kontrollierbar sind, gehen diese Menschen davon aus, dass sie für sich selbst und im unmittelbaren Umfeld durchaus etwas bewirken können. Diese Haltung ist einer der Faktoren der resiliente Menschen ausmacht. Sie verharren nicht in einer Opferrolle, sondern bleiben handlungsfähig und fühlen sich auch so. Resiliente Menschen suchen immer nach Handlungsoptionen, um auch unter widrigsten Umständen, ihre eigene Situation in dem ihnen möglichen Rahmen zu verbessern. Sie vertrauen darauf, dass sie einen Weg finden und hadern nicht lange. Sie treffen Entscheidungen – und wenn es die ist, sich Hilfe zu holen. Bei steigenden Lebenshaltungskosten suchen sie sich z.B. wenn möglich einen neuen Job, um ihre finanzielle Situation zu verbessern statt sich gelähmt in Sorgen zu verlieren. Zudem sind sie in der Regel sozial gut vernetzt und wissen, dass sie jederzeit auch auf die Hilfe ihres Umfelds bauen können. Gleichzeitig erkennen sie aber auch Unvermeidbares, nehmen es an und arrangieren sich damit, um aktiv bleiben zu können. Auch sind sie in der Lage, Gefahren realistisch einzuschätzen und vermeiden so unnötige Ängste. Klingt nach einem Ideal, das sich nicht erreichen lässt? Es muss auch kein Ideal sein, aber Psychologen sagen, dass jeder an seiner Resilienz arbeiten und diese so verbessern kann.

Wichtige Grundlagen für eine starke Resilienz


Menschen, die besonders resilient sind, verfügen insbesondere im Hinblick auf die Psyche über Grundlagen bzw. Grundhaltungen, die sie psychisch widerstandsfähiger machen als andere. Wie bereits erwähnt, sind dies nicht ausschließlich bereits vorhandene, sondern in vielen Bereichen auch erlernte Strategien – z.T. durch das Abschauen von Vorbildern, aber auch selbst antrainierte im Erwachsenenalter. Faktoren wie ein guter Zugang zu Gefühlen, Zuversicht, realistische Selbsteinschätzung, Flexibiltät, ein gutes soziales Netz oder auch einen Sinn im eigenen Leben zu sehen gelten laut aktuellem Forschungsstand als gute Grundlagen für eine gute Resilienz. Weitere Schlüssel zu einer stabilen psychischen Widerstandskraft beleuchtet nachfolgende Übersicht.


Überforderung wahrnehmen


Es ist völlig normal, sich in bestimmten Situationen oder bei zu viel Negativem überfordert zu fühlen. Schwäche zu zeigen fällt vielen Menschen schwer, ist aber der richtige Schritt. Denn es ermöglicht, sich mit anderen auszutauschen oder Hilfe anzunehmen. Im offenen Gespräch wird man häufig feststellen, dass man mit Sorgen, Ängsten und Nöten gar nicht allein ist und Hilfe anzunehmen ebenso selbstverständlich ist, wie diese zu geben.


Gute Impulskontrolle


Wem es gelingt, fokussiert an einer Aufgabe zu bleiben (auch, wenn sie keine Freude macht) oder auch unter großem Druck zielorientiert und konzentriert bei der Sache bleibt, sich nicht von dem Impuls aufzuhören oder aufzugeben beeinträchtigen lässt, beugt Stress und weiterem Druck vor. Zusätzlich empfindet man nach Abschluss der Aufgabe das positive Gefühl von Stolz.

Steuerung der Emotionen


Das heißt nicht etwa, dass man Emotionen unterdrücken soll, sondern vielmehr meint es zu lernen, die eigenen Emotionen zu lenken. Das heißt nichts anderes, als Strategien zu entwickeln, um Ärger, Frust oder Stress schneller zu überwinden, um sich dann auch schneller wieder gut zu fühlen.

Positives Denken


Optimistisch bleiben wappnet ungemein gegen widrige Umstände. Damit ist allerdings nicht gemeint, alles durch die rosarote Brille zu sehen oder schönzureden. Vielmehr besteht die Kunst darin, die Dinge zwar realistisch wahrzunehmen, aber immer in dem Glauben, dass sie sich zum Guten wenden werden. Auch schlimmen Situationen etwas positives abzugewinnen ist ein wichtiger Bestandteil. So wird ein resilienter Mensch beim Verlust eines geliebten Freundes beispielsweise - neben der berechtigten und natürlichen Trauer - auch ein positives Gefühl der Dankbarkeit über die gemeinsame Zeit empfinden können.


Anpassen des eigenen Verhaltens


Wer aufgrund eigener Beobachtung Trigger erkennt, die in bestimmten Situationen negative Gefühle hervorrufen, kann alternative Verhaltensweisen entwickeln und anwenden. Das ermöglicht es, sich auf das zu fokussieren, was funktioniert, um sich besser zu fühlen. Beobachten, ausprobieren und auswerten schafft so ein Repertoire von Lösungsstrategien.

Ziele verfolgen und anpassen


Ein klares Ziel zu definieren und zu verfolgen bedeutet Motivation. Immer sollte einem dabei aber bewusst sein: auch Rückschläge gehören dazu und sind kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Wenn ein Ziel aber wirklich nicht auf dem geplanten Weg zu erreichen oder schlicht unrealistisch ist, zeichnet sich resilientes Verhalten dadurch aus, dass dieses Ziel entweder angepasst oder ein neues, realistisches Zielt gesetzt und diszipliniert verfolgt wird.

Sozialkompetenz


Sich mit Empathie in die Gedanken- oder Gefühlswelt des Gegenüber hineinzuversetzen ist zwar nicht immer leicht, hilft aber dabei, andere besser zu verstehen. Dieses Verständnis ermöglicht ein konstruktives sowie fruchtbares Miteinander und erleichtert die Schaffung eines belastbaren sozialen Netzwerks. Netzwerke wiederum bieten Stabilität und gegenseitige Unterstützung.


Gefahren realistisch einschätzen


Schlechte Nachrichten, Terroranschläge, Kriege – all das macht Angst, kann lähmen oder sogar Depressionen hervorrufen. Natürlich sind all diese Nachrichten negativ und rütteln an einer positiven Haltung, aber sie müssen nicht in diffusen Ängsten enden. Wer sich die Frage stellt: wie real ist die Gefahr wirklich unmittelbar für mich oder mein direktes Umfeld und diese ganz rational beantwortet, fühlt sich nicht nur besser, sondern ordnet die vermeintliche Bedrohung auch da ein, wo sie wirklich hingehört.


Veränderung annehmen


Wem klar ist, dass Veränderung immer Teil des Lebens sein wird, kann diese auch besser akzeptieren. In widrigen Umstände wie z.B. dem Ende einer Beziehung, dem Verlust des Arbeitsplatzes o.ä. liegen immer auch viele Chancen, die eine Veränderung (selbst eine erzwungene) auch zu einem Neuanfang machen.

Krisen nicht als unüberwindbar ansehen


Krisen kommen immer wieder – ob global oder in unserem Mikrokosmos. Statt ihnen aber einen allüberstrahlenden Katastrophenstatus zuzugestehen, sollten man sie am besten als eine Phase betrachten, in der es mal nicht so gut läuft, die aber auch wieder vorübergeht und darauf vertrauen, dass auch wieder bessere Zeiten warten.

Sich selbst nicht verlieren


Bei allem um uns herum ist ein zentraler Punkt, den Fokus auf uns selbst nicht zu verlieren. Wer sind wir, was wollen wir, wo stehen wir und wie geht es uns? Der Zeit für Selbstreflexion, Positionsbestimmung und Entspannung kommt damit eine ganz wichtige Bedeutung zu. Und wer meint, sich solche Auszeiten nicht gönnen zu können: keine Sorge, die vielen Pflichten des Alltags laufen nicht weg.

Kann man Kindern eine gute Resilienz vermitteln?


Wie resilient ein Kind bzw. der spätere Erwachsene ist bzw. wird, lässt sich nicht nachweislich beeinflussen. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass der Umgang miteinander, was das soziale Umfeld vorlebt, ob wir unsere Kindern bestärken, loben und an ihrer Seite sind durchaus von Relevanz zu seinen scheinen. Positiv beeinflussen können die Entwicklung der Resilienz:

  • Zuwendung, eine gute Beziehung zwischen den Eltern sowie zu dem Kind
  • mindestens eine durchgängig, begleitende Bezugsperson, die fördert, Schutz bietet und vom Kind als stabil an dessen Seite empfunden wird
  • Kindern altersgerecht auch Erfolgserlebnisse ermöglichen und sie nicht zu sehr behüten, denn die selbst bewältigten Herausforderungen schaffen Selbstvertrauen
  • Kinder nicht gegen alle negativen Lebenserfahrungen abschirmen, sondern begleitend auch diese Erfahrungen durchleben lassen, damit sie möglichen Belastungen im weiteren Leben bestmöglich gewachsen sind
  • Kindern besser Fragen stellen, als Lösungen vorzugeben. Das kann die Bereitschaft, Aufgaben selbst zu lösen verbessern und steigert das Vertrauen des Kindes in sich selbst und seine Fähigkeit, Probleme autark lösen zu können.
  • Kinder ausreichend loben, ein gutes Maß (ca. 10 Mal am Tag) hilft, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken
  • Leistungs-Anforderungen nicht zu hoch setzen, es müssen nicht immer 100% erreicht werden
  • Kindern ausreichend Raum für soziales Miteinander (Hobbys, Freunde, Spaß) und Ruhe geben