Dabei war unser Zuckerkonsum bereits vor der Krise viel zu hoch. Und dies hat nicht nur Auswirkungen auf unser optisches Erscheinungsbild. Auch unser Immunsystem leidet unter unserem Hang zum Süßen. Als Folge davon werden wir nicht nur immer dicker, sondern auch immer kränker. Doch wie schafft man den Schritt aus der Zuckerfalle?
Mein Sohn kommt verschwitzt nach Hause. Er war mit ein paar Kumpels auf dem Bolzplatz. Er ist noch nicht ganz in der Wohnung, als es aus ihm heraus platzt: „Stell dir vor, Mama, ich habe die Sonja beim Fußballspielen getroffen.“ Ich schaue ihn fragend an. Wer ist denn bitte schön Sonja? „Du weißt schon, das Mädchen, das vor der Corona-Krise manchmal mit uns gekickt hat.“ Das ist zwar schon einige Monate her, aber jetzt fällt es mir wieder ein. Schließlich ist es eher ungewöhnlich, dass ein Mädchen mit den Jungs kickt. „Stell dir vor, die ist richtig dick geworden!“, schließt mein Sohn seinen kurzen Bericht ab. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er darüber regelrecht entsetzt ist.
Und auch ich bin schockiert. Ich habe das Mädchen vor der Corona-Krise kurz kennen gelernt, als ich meinen Sohn vom Bolzplatz abgeholt habe. Sonja ist ein hübsches, 12-Jähriges Mädchen mit einer beeindruckenden roten Mähne. Und ich habe sie rank und schlank in Erinnerung - ohne irgendwelche Fettpolster oder auch nur Pölsterchen. „Oh je, wie konnte denn das passieren?“, rutscht es mir heraus. Die Frage ist nicht gerade schlau. Weiß ich als Ernährungsberaterin doch nur zu gut, was zu überschüssigen Pfunden auf den Rippen führt. Am Ende des Tages liegt es fast immer an der falschen Ernährung in Kombination mit zu wenig Bewegung.
Zucker ist allgegenwärtig
Aber gerade bei Kindern bin ich dennoch immer wieder schockiert, wenn diese plötzlich sichtbar zunehmen. Menschen, die bereits im Kindesalter stark übergewichtig sind, müssen meist ihr Leben lang gegen die überschüssigen Kilos und die daraus resultierenden Zivilisationskrankheiten kämpfen. Außerdem leiden Kinder in der Regel auch psychisch sehr unter ihrem Übergewicht. Mein Sohn bestätigt dann auch sogleich, dass die fatale Kombination aus wenig Bewegung und zu vielen Süßigkeiten Ursache für die Gewichtszunahme war. „Ach, weißt du, die Sonja hat ja immer viel Süßes gegessen. Die hat uns doch auch immer was mitgebracht. Und während der Krise war sie eben viel zu Hause und hat gezockt (zocken = Jugendsprache für „ein Computerspiel spielen“) und ist kaum noch rausgegangen.“
Zucker hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regelrechten Geißel der Menschheit entwickelt. Zucker und zuckerhaltige Produkte sind allgegenwärtig. Leider denken viele immer noch, dass es ausreicht, sich viel zu bewegen, um den negativen Folgen des Zuckerkonsums zu entgehen. Aber das ist leider nicht der Fall. Zucker macht uns nicht nur dick, sondern auch krank. Und dazu müssen wir nicht einmal dick sein. Man kann es auch anders ausdrücken: Übergewicht ist nur eines von vielen Symptomen, die durch hohen Zuckerkonsum verursacht werden.
Zucker schwächt unser Immunsystem
Vielen ist bewusst, dass Zucker zu Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Weniger bekannt ist aber, dass Zucker auch unser Immunsystem schwächt. Die Corona-Krise hat uns eindrücklich gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes Immunsystem für uns ist. Manche Menschen, die am Corona-Virus erkrankt sind, sind mit leichten oder sogar gar keinen Symptomen davon gekommen. Andere wiederum, die bereits Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten, mussten dagegen mit sehr schweren Symptomen kämpfen. Ob wir krank werden beziehungsweise wie wir mit einer Infektion zurecht kommen, hängt dabei maßgeblich vom Zustand unseres Immunsystems ab.
Und Zucker schadet unserem Immunsystem. Zum einen liegt das daran, dass Zucker keinerlei Vitamine und Mineralstoffe enthält. Diese braucht unser Körper aber, um den Zucker in Energie umzuwandeln. Das heißt, unser Körper muss auf unsere Vitamin- und Mineralstoffdepots zurückgreifen, um diesen verarbeiten zu können. Allerdings braucht auch unser Immunsystem diese Vitalstoffe dringend. Als Folge dessen fehlen durch einen hohen Zuckerkonsum unserem Immunsystem wichtige Stoffe, die es dringend benötigt, um einwandfrei zu funktionieren.
Zucker schadet unserer Darmflora
Hinzu kommt, dass der weitaus größte Teil unserer Immunzellen in unserem Darm sitzt. 70 bis 80 % aller Zellen, die Antikörper produzieren, befinden sich in unserer Darmschleimhaut. Aber unser Darm enthält nicht nur wichtige Immunzellen, sondern auch jede Menge Bakterien. Sind die richtigen Bakterien in ausreichender Zahl vorhanden, geht es uns gut. Denn die guten Bakterien halten die schlechten in Schach und sorgen so dafür, dass wir fit und gesund sind.
Das tun sie allerdings nur, solange wir gut mit ihnen umgehen. Wir müssen sie pflegen und hegen, und vor allem müssen wir ihnen das richtige Futter geben. Und dieses besteht - manche mögen das sicherlich bedauern - nicht aus Gummibärchen und Schokolade. Im Gegenteil. Zucker sorgt im Darm für ein ungünstiges Milieu, in dem leider gerade die Bakterien hervorragend gedeihen, die uns schaden. Die guten Bakterien in unserem Darm brauchen dagegen viele Ballaststoffe, die in Gemüse, Obst, Vollkorngetreide und Nüssen reichlich enthalten sind.
Der Weg aus der Zuckerfalle
Deshalb sollten wir möglichst wenig Zucker zu uns nehmen. Das ist jedoch für viele einfacher gesagt als getan. Wenn man erst einmal in der Zuckerfalle sitzt, ist es schwer, aus dieser wieder herauszukommen. Schließlich ist Zucker nicht nur ungesund, er macht uns auch noch regelrecht süchtig. Einen hohen Zuckerkonsum schlagartig zu reduzieren beziehungsweise von heute auf morgen ganz auf diesen zu verzichten, ist deshalb wirklich schwierig. Häufig ist es hilfreich, den Zucker langsam „auszuschleichen“, also Stück für Stück zu reduzieren. Das kann zum Beispiel gelingen, indem man den ersten Zucker des Tages möglichst spät zu sich nimmt. Auch sollten wir unbedingt auf versteckte Zucker in Lebensmitteln achten. Denn sobald wir Süßes zu uns nehmen, verlangt unser Körper nach mehr.
Für viele ist es auch hilfreich, auf Obst zurückzugreifen, sobald das Verlangen nach Süßem kommt. Obst enthält zwar auch Zucker, allerdings gleichzeitig viele wertvolle Vitalstoffe, die unser Körper braucht, um diesen richtig zu verarbeiten. Zusätzlich bringen die Vitamine, Mineralstoffe und sekundären Pflanzenstoffe, die in Obst enthalten sind, unser Immunsystem so richtig auf Vordermann. So kann zum Beispiel Zink die Dauer eines Infekts verkürzen. Und Vitamin C unterstützt unser Immunsystem tatkräftig bei der Abwehr von Bakterien und Viren.
Unser Körper dankt es uns
Zum Süßen kann man auf Honig oder Trockenfrüchte zurück greifen. Bei diesen Produkten handelt es sich um Naturprodukte, die neben dem natürlichen Zucker auch noch zahlreiche Vitalstoffe enthalten. Allerdings sollte man auch mit diesen Süßungsmitteln sparsam umgehen, um sich langsam vom süßen Geschmack zu entwöhnen. Vielen ist Obst oder ein mit wenig Honig gesüßtes Joghurt zu Beginn vielleicht nicht süß genug. Aber wenn man erst einmal eine Zeitlang auf Zucker verzichtet hat, gewöhnen sich die Geschmacksknospen auch daran. Und plötzlich schmeckt dann ganz normale Vollmilch-Schokolade viel zu süß.
Wenn wir auf Zucker verzichten oder zumindest unseren Konsum stark reduzieren, wird uns unser Körper dafür belohnen. Wir werden nicht nur besser aussehen, sondern uns auch einfach viel gesünder und fitter fühlen. Gleichzeitig ist unser Immunsystem stärker, auch wenn wir das nicht sehen. Und sicher werden wir auch das eine oder andere Pfund abnehmen, was sich wiederum insgesamt positiv auf unseren Gesundheitszustand auswirkt. Der Verzicht lohnt sich also, auch wenn der Anfang wirklich hart ist.
Kinder sind schlau
Aber zurück zum Bolzplatz. Mein Sohn berichtet, dass Sonja wohl sehr traurig über ihre Gewichtszunahme ist. Leider bekommt sie zu Hause nicht wirklich Unterstützung beim Thema gesunde Ernährung. Allerdings hat sie eine Freundin, die ihr jetzt dabei hilft, weniger Süßigkeiten zu essen. Die beiden haben wohl ein Punktesystem vereinbart. Für jede Mahlzeit, zu der man keine Süßis zu sich nimmt, zahlt man auf ein virtuelles Konto ein. Wer am Ende des Monats die meisten Punkte aufweist, hat gewonnen und darf sich von der anderen etwas wünschen.
Wie schlau Kinder doch sind! Da können wir Erwachsene uns eine Scheibe abschneiden. So ein Punktesystem funktioniert vielleicht auch für uns Großen. Warum nicht mit dem Partner, der besten Freundin oder dem eigenen Kind ein Zuckerfrei-Konto eröffnen und gemeinsam dafür kämpfen, möglichst viel darauf einzuzahlen? Unser Körper wird es uns danken und uns unsere Mühe mit Zins und Zinseszins in Form von Gesundheit, Glück und einem starken Immunsystem reichlich zurückbezahlen.
Ihre Eva Ehehalt
(Eva ist Ernährungsberaterin, Autorin und Bloggerin. Auf Ihrer Seite findet Ihr viele tolle Tipps und Rezepte: www.leckervital.com)